Die jugendlichen als wichtigste zielgruppe der tabakindustrie
Ausgeklügelte Strategien, um die Jugendlichen zu ködern
Um ihren Umsatz zu halten, muss die Tabakindustrie fortlaufend neue Kunden ansprechen, weil Raucherinnen und Raucher das Rauchen aufgeben oder sterben. Weil 85 Prozent der Raucherinnen und Raucher vor ihrem 21. Lebensjahr mit Rauchen angefangen haben 1, erneuert die Tabakindustrie das Heer ihrer Konsumentinnen und Konsumenten richtigerweise, indem sie sich an junge Menschen wendet. Wie die hier präsentierten Ergebnisse aufzeigen, wird eine Vielzahl von Marketingmassnahmen speziell dafür eingesetzt, um diese Bevölkerungsgruppe zu verführen. Bestätigt wird dies zudem durch die Veröffentlichung interner Unterlagen der Tabakindustrie 2, die aufzeigen, wie fundiert diese die Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen sowie ihre Haltung gegenüber Zigaretten und Risiken untersucht hat.
Die gemachten Beobachtungen zeigen, dass die Orte, an denen Werbung oder Verkaufsförderungsaktivitäten stattfinden (Musikfestivals, Discos, Kioske usw.), die eingesetzte Sprache, die Gestaltung und die verwendete Bildsprache nicht etwa dem Zufall geschuldet, sondern das Resultat minutiöser Recherchen sind. Ziel dieser konkreten Planung ist es, ein Maximum an jungen Menschen zu erreichen, indem Orte aufgesucht werden, an denen sich diese aufhalten, indem die Zigarette mit von Jugendlichen geschätzten Bezugssystemen (Party, Risikofreude, Urlaub, Flirt, Freiheit, Erfolg usw.) in Verbindung gebracht wird und indem die Jugendlichen Gelegenheit erhalten, Geschenke zu gewinnen oder in dieser Altersgruppe begehrte Erfahrungen zu machen. Die Tabakmarken wählen eine Kommunikationsstrategie, die nahe an den aktuellen und potenziellen jungen Konsumentinnen und Konsumenten sein will (psychologisch und geografisch) und sie spielen die Karte der «Kumpelbeziehung» aus 3. In Kombination mit der Tatsache, dass junge Leute für Werbebotschaften 4 empfänglicher sind als ältere, verfügt die Tabakindustrie hier über ein beängstigendes Instrumentarium, um ihr Zielpublikum zu ködern und eine langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen.
Die Absichten der Tabakindustrie treten in den internen Dokumenten in aller Klarheit zutage, wie dieser Auszug aus einem Dokument von Philip Morris von 1975 zeigt: «Marlboros phänomenale Wachstumsrate in der Vergangenheit war grösstenteils unserer hohen Marktdurchdringung bei jungen Rauchenden … zwischen 15 und 19 Jahren zuzuschreiben … meine Daten, die auch die jüngeren Jugendlichen einschliessen, weisen eine noch höhere Marktdurchdringung von Marlboro bei den 15- bis 17-Jährigen aus.» 5
18 Langzeitstudien mit über 27’000 jungen Nichtraucherinnen und Nichtrauchern zwischen 8 und 18 Jahren konnten aufzeigen, dass die Konfrontation mit Tabakwerbung die Wahrscheinlichkeit, mit dem Rauchen zu beginnen, erhöht6.
Scheinheiliger Jugendschutz
Die Behauptung der Tabakfirmen, die Minderjährigen in ihrer Werbung nicht im Visier zu haben, ist vorgeschoben und soll die Politik und die Öffentlichkeit von der zugrundeliegenden Rechtschaffenheit überzeugen. Auch wenn es stimmt, dass manche Orte, an denen Werbe- und Verkaufsförderungsmassnahmen laufen, nur Volljährigen zugänglich sind (Festivalplattformen, Discos), kommen die Minderjährigen doch sonst vielerorts mit Werbung und Verkaufsförderung von Tabakwaren in Kontakt. Wie das vorliegende Projekt bestätigt, gilt dies für Verkaufsstellen, Kaffees und Kneipen, Gratistageszeitungen, Plakatwerbung, Kultur- und Sportanlässe, Kinos, manche offiziellen Websites, soziale Netzwerke und Zigarettenautomaten. Kinder und Jugendliche immer wieder der Tabakwerbung auszusetzen und gleichzeitig zu betonen, die angepriesene Ware sei Erwachsenen vorbehalten, ist der beste Weg, Tabak zu einem von den jungen Menschen extrem begehrten Produkt zu machen.